Krebs hat von seinem Schrecken nichts eingebüßt. Die Erkrankungsrate ist weiterhin zunehmend, auch wenn bei einigen Teilbereichen ein Rückgang der Sterblichkeit feststellbar ist. Es gibt einige Fortschritte in der Früherkennung, der Chemotherapie, der Bestrahlungsmedizin oder der Chirurgie. Ebenso in der Schmerztherapie. Die Errungenschaften der Schulmedizin werden auch von manchen Befürwortern alternativer Heilverfahren anerkannt und in die alternative Behandlung integriert.
Trotzdem bleibt der Krebs eine übermächtige, todbringende Krankheit, die Angst und Grauen, Wut, Trauer und Ohnmacht auf der einen Seite auslöst .
Auf der anderen Seite findet man als Gegenreaktion Verharmlosung (Zeitungsüberschrift: "Der Krebs hat seinen Schrecken verloren mit trügerischen Siegesmeldungen der Krebsforschung). In der therapeutischen Versorgung sowie in den Lebensbereichen der Patienten entsteht oft getriebene Geschäftigkeit: Flucht in den Alltag, manische Abwehr dessen, wovon man wünscht, daß es nicht wahr wäre, Wiederaufnahme der Getriebenheit aus der Zeit vor der Diagnose, unterbrochen und letztlich beendet durch seelische und körperliche Resignation und Erschöpfung.
Die sogenannte Krebsvorsorge
Diagnoseverfahren zur Früherkennung von Krebs bezeichnet man fälschlicherweise als Krebsvorsorge (Prophylaxe). Sie hat aber mit Prophylaxe nichts zu tun, denn mit ihren Methoden beugt man der Erkrankung nicht vor, sondern möchte möglichst frühzeitig ihr Ausbrechen erkennen. Ob ein frühzeitiges Erkennen immer günstig ist, wird manchmal bestritten. Es gibt Mediziner und Psychologen, die eine negative Auswirkung der Diagnose "Krebs auf die Selbstheilungskräfte behaupten. Der Glaube, daß Krebs immer tödlich sei, wirke sich als selbsterfüllende Prophezeiung aus. Das mag bei manchen Krebsarten vielleicht der Fall sein. Bei aggressiv streuenden "Mutter Karzinomen, - Melanomen und weiteren Krebsarten dürfte jedoch die Früherkennung für Eingriffsmöglichkeiten eher günstig sein. Das gilt nicht nur für schulmedizinische Eingriffe, sondern auch für alternative Heilverfahren und Interventionsmöglichkeiten seitens der Psycho - Onkologie.
Was ist Psycho - Onkologie?
Psycho-Onkologie bedeutet, Erkenntnisse aus dem Wissenschaftsgebiet der Psychologie in die Krebstherapie zu integrieren. Dabei geht es zunächst um die mit der Erkrankung verbundenen Probleme und die davon nicht zu trennenden psychischen Erlebnisbereiche eines an Krebs erkrankten Menschen. Ebenso muß dessen mitbetroffenes Umfeld Berücksichtigung finden, d.h. vornehmlich die Familienmitglieder oder Lebensgefährten, oft auch der Arbeitsbereich. Hier finden Psychotherapie und psychologische Beratung Anwendung. In diesem Zusammenhang gibt es unterschiedliche Bereiche, auf die psychologisch eingewirkt werden kann. Zum einen kann der Krankheitsverlauf begleitet, und oft auch lebensverlängernd, zumindest aber erlebens-intensivierend beeinflußt werden. Hierzu gehört die Auseinandersetzung mit der Gegenwärtigkeit der Krankheit selbst und mit den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Gegenwart. Einen wichtigen Bereich hierzu stellt die Wahrnehmung und psychische Bewältigung der verschiedenen therapeutischen Maßnahmen dar, wie z.B. Chemotherapie, Bestrahlung und chirurgische Eingriffe. Resignation auf der einen Seite, Panik und Getriebenheit auf der anderen sind Gefühle, die in der psychologischen Bearbeitung eine große Rolle spielen. Außerdem hat Schmerz und Schmerzerleben eine gewichtige psychologische Komponente. Desweiteren sind Vergangenheitskonflikte, die mit dem Krankheitsgeschehen verknüpft sind, sowie Zukunftsperspektiven Gegenstand der Psycho-Onkologie.Wichtig ist die Arbeit mit den Angehörigen. Die Krankheit nicht verleugnen und nicht in Erstarrung fallen zu müssen, den emotionalen und äußeren Begleitumständen und Konsequenzen der Krebserkrankung offen gegenübertreten zu können, ist das Ziel psycho-onkologischer Hilfeleistung.Da sich aus Angst, Grauen und Hilflosigkeit oft auch engere Freunde und Arbeitskollegen von den an Krebs Erkrankten zurückziehen und damit das grundsätzliche Isolationsproblem noch verstärken, hat die Psychologie auch hier eine wichtige Aufgabe, dazu beizutragen, daß das soziale Umfeld rekonstruiert oder aufrechterhalten wird und so offen wie möglich der veränderten Situation gegenübertreten kann.
Was ist eigentlich Krebs?
Über die körperlichen Ursachen von Krebs weiß man aus schulmedizinischer Sicht nach wie vor relativ wenig. Es gibt immer noch Forscher auf der Suche nach Viren. Auch Karzinogene in Form von Strahlen oder chemischen Substanzen in Umwelt, Haushalt oder Nahrung werden ständig neu entdeckt, können aber kaum als alleinige Ursache dingfest gemacht werden. Wahrscheinlich haben wir es mit einem sehr komplexen Geschehen zu tun: Zellverbände werden durch chemische, soziale oder psychische Reize unter Streß gesetzt, woraufhin - nach einem Bild von Rüdiger Dahlke - einzelne Zellen revoluzzerartig ausbrechen und quasi kopflastig werden, indem sie einen dicken Kern (das Gehirn der Zelle) entwickeln. Sie begeben sich auf einen Selbstbefreiungs-Trip, indem sie ihre Zugehörigkeit zu ihrer Ursprungssippe leugnen, sich - gleichsam manisch agitiert - vermehren und respektlos und absolut eigennützig andere Zellorganisationen für sich umfunktionieren. Dabei machen sich die Krebszellen derart autark, daß sie sich sauerstoffunabhängig aus sich selbst heraus vermehren können, ohne auf die Kommunikation mit "Nachbarn angewiesen zu sein. Sie sind dabei extrem gefräßig auf Kosten des bis dato gesunden Gewebes. Sie gleichen in ihrer Nichtdifferenziertheit embryonalem und fötalem Körpergewebe. Bei diesem Ego-Trip können sie nur von einem gesunden körpereigenen Abwehrsystem geblockt werden. Viele Forscher vermuten, daß alle Menschen ständig Krebszellen produzieren, die von der gesunden Immunabwehr immer wieder neutralisiert werden. D.h. wir heilen uns ständig selbst von Krebsanfängen.Bei dieser Beschreibung der Krebsentstehung wird auf der inneren körperlichen Ebene ein Geschehen dargestellt, das genau konträr zu dem steht, was Forscher über das äußere Verhalten einer idealtypischen Krebspersönlichkeit herausgefunden haben wollen.
Gibt es eine Krebspersönlichkeit?
Die Frage, ob es Gründe für die Annahme einer Krebspersönlichkeit gibt, wird wie oft in der Wissenschaft mal bejaht, mal verneint. Wenn man sich jedoch die Forschungsmethoden der Gegner der Krebspersönlichkeit anschaut, hat man fast immer den Eindruck von Opportunismus oder Blauäugigkeit. Es ist so, als wollten sie mit einem Zollstock die Tiefe des Meeresgrundes messen, und zwar von der Wasseroberfläche aus. Sie kommen dann zu dem Ergebnis, es gibt keinen Meeresgrund.Grossath-Maticek beschreibt die idealtypische Krebspersönlichkeit (zitiert nach Stierlin et al. 1983) folgendermaßen: "Er treibt Raubbau an seiner Gesundheit, setzt sich
übermäßig Karzinogenen - z.B. Zigaretten, Schlaf- und Abführmitteln - aus, verharmlost Krankheitssymptome, schlägt Warnsignale und Verdachtsdiagnosen in den Wind und gibt seinem Körper kaum Chancen, sich zu erholen. Er ist weiter harmonisierend, vernünftig, vermeidet Konflikte , muckt nicht auf, opfert sich vielmehr für andere, insbesondere seine Familienangehörigen, und idealisiert sie gleichzeitig. Hinter einer äußerlichen Angepaßtheit und Lebensbejahung erscheint er hoffnungslos und bedrückt: alles ist ihm im Grunde eine Last, die Zukunft eine Bürde. Er erscheint dabei eigenen wichtigen Bedürfnissen, z.B. dem nach Ruhe, nach sexueller Befriedigung, nach mitmenschlicher Verbundenheit, nach Erholung - entfremdet. Und es fällt ihm schwer, andere Menschen zu finden, die diese (von ihm selbst nicht klar erkannten und zugelassenen) Bedürfnisse befriedigen könnten - obschon, oder gerade weil er zu allen Menschen nett sein möchte. Schließlich erscheint solch idealtypisch konstruierter Krebskandidat besonders verwundbar für bestimmte Verluste, Kränkungen, oder Ausstoßungserlebnisse, um so mehr, als er sich oft nur an einen einzigen Menschen enger bindet, während er andere Kontakte vernachlässigt. Derartige Typisierungen machen dann Sinn, wenn man mit ihnen die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung vorhersagen kann. In einem solchem Fall könnten sie auch Beiträge zu wirklicher "Krebsvorsorge leisten. Von den empirischen Untersuchungen über "Krebspersönlichkeiten sind dementsprechend die "prädiktiven Studien, d.h. solche, wo Krebs vor dem Ausbruch der Krankheit prognostiziert wurde, aussagekräftiger als die "postskriptiven , da sich bei der Untersuchung von bereits Erkrankten nicht unterscheiden läßt, ob die Persönlichkeitsmerkmale bereits vor der Erkrankung bestanden, oder sie als Folge der Erkrankung auftreten.
Prädiktive Studie von Grossath-Maticek zur Krebspersönlichkeit
Grossath-Maticek stufte auf der Basis seines Persönlichkeitsprofils 38 von 1353 interviewten Patienten als besonders krebsgefährdet ein. 10 Jahre später waren tatsächlich 37 davon erkrankt und die meisten bereits gestorben. Allerdings waren insgesamt ca. 200 Patienten erkrankt, d.h. die meisten Erkrankungen wurden nicht vorausgesagt. Zwar konnten auch bei den anderen Patientinnen psychische Risikofaktoren in der nachträglichen Auswertung festgestellt werden, dennoch scheinen nicht alle Menschen, die an Krebs erkranken, der idealtypischen Krebspersönlichkeit maximal nahezukommen.
Die Heidelberger Brustkrebs-Studie
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die "Heidelberger Brustkrebs-Studie (Wiesching et al., 1982). Mit 56 Patientinnen, bei denen ein Knoten in der Brust diagnostiziert wurde, von dem man noch nicht wußte, ob er gutartig oder bösartig war, wurden vor Erstellung der endgültigen Diagnose stützende und beratende Gespräche geführt und auf Tonband aufgenommen. Die Interviewer sollten vorhersagen, bei welchen Frauen der Knoten voraussichtlich maligne sei. Unabhängig davon sollten "neutrale Beurteiler aufgrund der Tonbandprotokolle ebenfalls eine Vorhersage treffen. Hierbei sollten sie sich an folgenden Hypothesen orientieren: Krebspatientinnen haben es schwerer als Patientinnen mit gutartigem Knoten, im Gespräch zu einer angemessenen Balance von Nähe und Distanz zu finden; sie zeigen sich eher vernunft- als gefühlsgesteuert, bekennen sich weniger zur Angst vor der Operation und ihren Folgen, schätzen das Operationsrisiko weniger realistisch ein , zeigen sich eher autark als hilflos und eher altruistisch als fordernd; sie haben eine erhöhte Bereitschaft, Konflikte zu vermeiden oder zu verleugnen. 18 Patientinnen wurden danach mit Krebs und 38 mit gutartigem Knoten diagnostiziert. Alle Patientinnen mit Krebs verhielten sich hypothesengerecht (allerdings wies auch etwa ein Viertel der nicht mit Krebs diagnostizierten Patientinnen diese Merkmale auf). Selbst wenn es bei Patientinnen mit Krebs während des Gesprächs zu den nur zu 71 % bzw. 68 % vorausgesagt.
Ist Krebs eine psychosomatische Erkrankung?
Nach Wiesching et al. (1982) ähneln sich nicht nur krebserkrankte Individuen in manchen Persönlichkeitszügen, sondern auch deren Familien. Die Autoren konstatieren folgende systemischen Besonderheiten: sehr geringe Entwicklungsmöglichkeiten, starre Rollenaufteilung, starke Bindungen und Koalitionen, starre Grenzen nach außen, harmonisierendes, konfliktvermeidendes Verhalten, Altruismus bis zur Selbstaufopferung, gespannte und latent explosive Atmosphäre als Folge der Konfliktverleugnung und Konfliktunterdrückung. Hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß derartige Mechanismen in starker Ausprägung auch in Familien mit anderen psychosomatisch schweren Erkrankungen vorkommen sowie in Familien mit psychotischen Erkrankungen.Obwohl Krebs nicht zu den schulmedizinisch anerkannten psychosomatischen Krankheiten gehört, gibt es neben den aufgeführten viele weitere empirische Befunde, die das Anerkennen einer relevanten psychologischen Komponente des Krebsgeschehens erforderlich machen. Hierzu gehört z.B. das Phänomen der Spontanremission. Bei ca. 10.000 diagnostizierten Erkrankungen bildet sich eine ohne medizinische Eingriffe spontan zurück, oft sogar nach hochgradiger Metasthasierung. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da die meisten Spontanremissionen unentdeckt bleiben. Außerdem hat jeder Mensch täglich Spontanremissionen einzelner Krebszellen, da dies zum Aufgabenbereich des Immunsystems gehört. Bei Patienten mit Spontanremission manifester Krebserkrankung wurden fast immer außergewöhnliche Charakterzüge oder grundlegende Veränderungen in der Einstellung zum Leben ermittelt.Desweiteren gibt es Untersuchungen darüber, daß Männer, deren Ehefrauen an Krebs gestorben sind, häufig bald danach ebenfalls an Krebs erkranken und ihren Frauen folgen. Ehefrauen krebskranker Männer hingegen überleben ihre Männer durchschnittlich genauso lange, wie Frauen bei anderer Todesursache ihrer Ehemänner, und erkranken seltener ebenfalls an Krebs.
Wozu Psychotherapie bei Krebs?
Viele Erfahrungen über die Beeinflussung von Krebs gibt es inzwischen aus dem Psychotherapiesektor. Menschen mit mehr als einjähriger Therapieerfahrung erkranken später seltener an Krebs als Menschen ohne Therapieerfahrung. In einer Klinik wurden Frauen mit Brustkrebs in zwei Gruppen nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt: eine Gruppe führte Gespräche mit professionellen Helfern, die andere Gruppe nicht. Die Patientinnen der ersteren Gruppe überlebten doppelt so lange. Der NLP-Forscher Robert Dilts konnte sogar seine von den Ärzten aufgegebenen Mutter dabei unterstützen, neue Ziele zu visualisieren und tödliche Glaubenssätze umzuändern, mit dem Ergebnis einer vollständigen Ausheilung des Krebses. Das Ärztehepaar Simonton arbeitet seit Jahrzehnten mit Krebspatienten, die - oft auch nach schulmedizinischer Behandlung mittels Visualisierung ihr Immunsystem zu stärken. Oft kommt es hierbei zur völligen Ausheilung. Der Psychoanalytiker Lawrence LeShan arbeitet seit 30 Jahren psychotherapeutisch mit Krebspatienten,
indem er ihnen hilft, ihr Leben völlig umzugestalten. Seine Arbeit gilt nicht nur als erfolgreich, sondern auch als seriös.
Motivationsprobleme bei Krebskranken und Heiler-Stress
Die psychotherapeutische Behandlung von Menschen, die an Krebs erkrankt sind, ist allerdings - wenn man solchen Therapeuten glaubt, die man als verantwortungsvoll empfindet - so einfach nicht, wie sie oft von postmodernen Wunder-Gurus, Ultra-Turbo-Kurzzeittherapeuten oder Kräutertrocknern propagiert wird. Zunächst scheint es schwierig, Patienten mit Krebs überhaupt zur Therapie zu motivieren. Manche haben bereits bewußt beschlossen, den Tod als Erlösung von ihrem anstrengenden und entfremdeten Leben zu empfinden, und andere erleben die Therapie als zusätzliche Leistungsanforderung und Quelle des Scheiterns in einem auch ohne Therapie bereits zu anstrengenden Leben. Viele Krebspatienten fühlen sich ohnehin schuldig oder als Versager und wollen den Tod vorziehen. Viele ignorieren oder bagatellisieren ihren Zustand nach der Diagnose aus Angst vor dem Verlust ihrer gewohnten Ordnung oder ihrer vorhandenen Bindungen. Sie wollen das tun, was sie immer schon getan haben, gehen zur Tagesordnung über und entfremden sich irgendwann endgültig vom irdischen Leben. Nur wenige Krebspatienten kommen aus eigenem Antrieb in die Therapie - dann allerdings mit günstigerer Prognose. Viele, die den Psychotherapeuten aufsuchen, kommen, weil sie sich dem Druck ihrer Verwandtschaft zu einer weiteren Verpflichtung, oder befolgen als (ambivalent) braver Patient die Empfehlung eines überweisenden Arztes. Die Therapie beginnt dann als Fortsetzung eines Lebens , in dem eigene Bedürfnisse ruiniert sind, und es besteht die Gefahr, daß die Therapie im Sinne der Selbstzerstörung instrumentalisiert wird.
Die therapeutische Haltung und das Setting
Voraussetzung für Therapie ist die Gestaltung eines Klima, wo der Krebspatient weiß, daß der Therapeut nicht derjenige ist , der entscheidet, ob der Patient leben oder sterben will. Überprotektive Pseudobesorgtheit ist genauso falsch wie Appelle, endlich seine Bedürfnisse wahrzunehmen oder seine wahren Gefühle rauszulassen. Letzteres kann Panik aus Angst vor Bindungsverlust auslösen. Außerdem kann die Therapie zu einem aufgesetzten Theater ausarten. Das erste Therapieobjekt des Therapeuten sollte zunächst die eigene Persönlichkeit des Therapeuten selbst sein: nämlich zu einer respektvollen Haltung zu gelangen, die zunächst fähig ist, anzuerkennen, welche Leistung der Patient mit seiner bisherigen Konstanz , Anstrengung, Verzicht oder Durchhaltevermögen vollbracht haben. Solche Haltung muß mehr sein als ein therapeutischer Trick, der die Abwertung übertüncht. Desweiteren ist notwendig, das Krankheitsgeschehen nicht zu verflachen und zu bagatellisieren und sich als Therapeut sowohl mit schwer zu ertragendem Grauen, mit Öde und Leere sowie mit oft bereits bagatellisierter, abgespaltener und isolierter tödlicher Destruktivität konfrontieren zu können. LeShan fragt seinen Patienten im einzeltherapeutischen Setting, was er tun würde, wenn er ohne gesellschaftliche Zwänge total selbst bestimmen könnte, wie die Welt beschaffen sein sollte, und vermeidet damit weitgehend den Druck in der Therapiesituation, der schon vorher lebens- und krankheitsbestimmend war. Er empfiehlt jedoch auch, familientherapeutisch zu arbeiten, da oft Verstrickungen eine Wende blockieren. Bert Hellinger löst durch Familienaufstellungen Verstrickungen des Patienten, was eine Umkehr zum selbstbestimmten Leben bewirken kann. Hellinger definiert sich selbst nicht als Heiler und entlastet so den Patienten vom Druck, sich therapeutenkonform entwickeln zu müssen.
Kooperation von Psychologie, Alternativ- und Schulmedizin
Wichtig für Psychotherapeuten kann die Zusammenarbeit mit Schulmedizinern sein. Eine arrogante Haltung alternativer Heiler, die sich scheinbar ausschließlich auf ihre "humanen Methoden verließen, hatte schon oft tödliche Folgen. Das Behandlungs-Setting erweist sich dann zuweilen als unbewußter Komplott: der Patient will schon lange nicht mehr, und ihm ist fast einerlei, ob die Erlösung durch die Magie oder den Tod kommt. Der Heiler agiert unbewußt mit und gewinnt immer, da der idealtypische Krebspatient ohnehin gewohnt ist, sich jegliche Schuld für jegliches Versagen selbst zuzuschreiben. Wenn man das äußerst Machtvolle und Zerstörerische des Krebsgeschehens, das in seiner scheinbaren Unabdingbarkeit soviel Grauen auslöst, als Ausdruck ungelebter, abgespaltener, unterdrückter , verleugneter oder ins Gegenteil verkehrter Vitalität sehen kann, sind lebendige Potentiale und Kreativität erahnbar, die der Patient sich im Falle einer Wende verfügbar machen kann. Es erfordert jedoch, den bisher eingeschlagenen Weg nicht vermessen als "falsch oder "mißglückt oder "vergeblichen Versuch abzuwerten. Wenn eine derartige Achtsamkeit nicht als taktisch dosierte, sondern als echte Einstellung gelingt, ist es auch möglich, den Weg zu begleiten, wenn er in Richtung Tod eingeschlagen wird, ohne mit gehirnakrobatischen Forderungen pseudotherapeutisch zu intervenieren.Der Zustand im medizinischen und psychologischen Therapiebereich spiegelt derzeit das Phänomen Krebs ebenso wieder, wie die Krebserkrankung gesellschaftliche Verhältnisse abbildet. Die mögliche Ganzheit ist in sich bekämpfende oder behindernde Teile zerrissen. Sektiererische Abkapselung der radikalsten Schulen gegen andere lassen sich mit der kopflastigen Autarkie von Krebszellen vergleichen, oder auch mit den abgespaltenen desintegrierten vitalen und kreativen Ressourcen Krebserkrankter. Hierbei ist nicht nur von der Schulmedizin mehr Respekt zu fordern. Psychologisten grenzen im Gegenzug oft die Medizin aus (jedoch nur, solange sie nicht selbst an Krebs erkranken) , und Radikalhomöopathen haben Angst, daß Psychotherapeuten ihren Globuli den Verdacht von Placebos anhängen.Für schnell wachsende und streuende Tumore sind die meisten Psychotherapiemethoden alleine zu langsam, und die Kurzzeittherapiemethoden zu risikobehaftet. Es bedarf also der Kooperation mit der Schulmedizin. Desgleichen können die gängigen Methoden der Alternativmedizin häufig nicht auf Skalpell, Strahlen oder Chemie verzichten. Eine Krebsheilung, die mehr als eine technische Verzögerung des Todeszeitpunktes oder eine Stabilisierung ungelebter Vitalität darstellt, bedarf jedoch immer der psychologischen Veränderung. Dies gilt auch für wirkliche Krebsvorsorge, die sich nicht auf Früherkennung beschränkt. Kurz zusammengefaßt: es gibt keine Krebstherapie ohne Psychotherapie, und nur eine integrative, psycho-onkologische Betrachtungsweise bildet soviel , wie gegenwärtig möglich, vom Krebsgeschehen ab.
Literatur:
Helm Stierlin et. al.: "Familienmedizin mit Krebskranken in: Familiendynamik, 1/83
Barbara Wirsching et. al.: "Familiendynamik und Familientherapie beim Krebs in: Chronisch kranke Erwachsene in der Familie, 1982
Rüdiger Dahlke: "Krankheit als Sprache der Seele , 1992
Bert Hellinger: "Ordnungen der Liebe , 1994
Lawrence LeShan: "Psychotherapie gegen den Krebs , 1993